Babel und Pfingsten
Bei aller Vielfalt ist den Menschen von Babel bis dahin eine einheitliche Sprache geblieben. Sie verstehen sich also. Das möchte man jeder Gruppe und Gemeinschaft wünschen. Neben ihrem Gemeinschaftssinn gibt es noch etwas, was Eindruck hinterlässt: Sie sind in ihrem Tun unbeirrbar und so ausdauernd, dass Gott selbst sagt: „… nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben.“ Halbherzigkeit ist den Bauleuten nicht vorzuwerfen.
Aber da ist ja noch das Haar in der Suppe. Und dieses Haar besteht aus einem einzigen Wort – aber Gott!
Sie streben eine Einheit ohne Gott an. Zwar wagen sie es nicht, ihr Gottlosigkeit knallhart durchzuziehen: denn bei Ausgrabungen in dieser Gegend hat man entdeckt, dass der Turm zu Babel auch ein religiöses Fleckchen hatte. Die Babylonier bauten nach leider sehr bekanntem Muster so zu sagen, um den alten Herrn nicht sauer zu machen, in ihren Turm ein kleines Kapellchen ein, nach dem Motto: für den Notfall kann es nicht schaden. Aber ihr Denken, Wollen und Tun geschah, trotz des Kapellchens, ohne Gott. Praktisch verewigen sie doch sich selbst. Sie sind ihr eigener Mittelpunkt geworden. So hat das Planen und Bauen dort in Babel mitsamt Kapellchen nur eine einzige Spitze: eine Spitze gegen Gott.
Bei der Gegengeschichte von Babel läuft es anders. Gott handelt und die Menschen empfangen. Wollen beim Turmbau die Menschen nach oben, an Pfingsten kommt Gottes Geist von oben herab. Statt Verwirrung wie in Babel verstehen sich zu Pfingsten die Menschen über Ländergrenzen hinweg.
Pfingsten setzt eine Frage aus sich heraus. Bietet uns eine Frage an. Lebst du noch von deiner ursprünglichen Mitte her? Oder läufst du Gefahr, diese Mitte zu verdrängen, an den Rand zu drücken? Wie groß ist deine Entfremdung – von dir selbst, von deinem Nächsten, von Gott? Muss ich selbst alles zusammenhalten oder lasse ich mich gehalten sein?
Nicht das Modell „einsame Spitze“, das so hochgejubelt wird an vielen Orten und auf vielen Bildschirmen, setzt sich am Ende durch. Um so eine Spitze herum wird es immer kalt sein und bleiben. Und eben einsam. Am Ende setzt sich Gottes Geist durch. Berührt, bewegt und wärmt. Und führt zusammen. Lassen wir ihn seine Arbeit tun. Auch an uns.
Friedhelm Schrader