Andacht
„Aber Gott hat mir gezeigt, dass kein Mensch unrein oder unheilig ist.“
In unserer Gesellschaft wird immer wieder neu darüber verhandelt, wer dazugehört – zu einer Gemeinschaft, zu einer Kultur, zu einem Glauben. Manche fühlen sich außen vor, weil sie nicht „passen“. Andere glauben, selbst entscheiden zu dürfen, wer „drinnen“ und wer „draußen“ ist. Doch die Bibel stellt genau diese Denkweise infrage.
In Apostelgeschichte 10 begegnen uns zwei Menschen, an denen Gott deutlich macht, dass er die alten Trennlinien durchbricht. Der erste ist Kornelius, ein römischer Hauptmann – aus jüdischer Sicht ein klarer Außenseiter. Und doch wird er als „gottesfürchtig“ beschrieben, als einer, der betet und barmherzig ist. Noch bevor er Jesus kennt, sucht er ernsthaft nach Gott. Und Gott nimmt diese Suche ernst. Er spricht zu ihm. Kornelius gehorcht – ohne zu wissen, was genau auf ihn zukommt. Sein Vertrauen ist bemerkenswert. Es erinnert daran: Gottes Gnade erreicht oft schon Menschen, bevor wir es sehen.
Der zweite ist Petrus. Petrus war überzeugt, er wüsste, wer dazugehört. Er war Jude, tief geprägt von den Geboten des Alten Testaments. In 3. Mose 11 und 5. Mose 14 gibt Gott seinem Volk klare Speisevorschriften. Diese dienten nicht nur der Ernährung, sondern auch der Abgrenzung – Israel sollte ein „heiliges Volk“ sein (vgl. 3. Mose 20,26). Reinheit bedeutete Zugehörigkeit. Wer unrein war, durfte nicht ins Heiligtum. Diese Ordnungen waren Ausdruck von Gottes Heiligkeit. Petrus stand also ganz in der Tradition der Schrift, wenn er glaubte: Heiden können nicht einfach dazugehören.
Dabei hatte er selbst an Pfingsten gepredigt, dass Gott seinen Geist auf alle Menschen ausgießt (vgl. Apg 2,17). Eigentlich hätte er wissen müssen, dass Gott keine Grenzen mehr zieht. Aber seine Prägung saß tief.
So schickt Gott ihm eine Vision. Dreimal sieht Petrus ein Tuch mit unreinen Tieren. Dreimal hört er die Stimme: „Steh auf, Petrus, schlachte und iss!“ Er widerspricht: „Auf gar keinen Fall, Herr!“ – eigentlich paradox. Es ist nicht das erste Mal, dass Petrus dreimal angesprochen wird: Er verleugnete Jesus dreimal – und wurde dreimal gefragt: „Liebst du mich?“ Auch jetzt redet Gott dreimal. Als wollte er sagen: Ich gebe dich nicht auf.
Am Ende erkennt Petrus: „Jetzt begreife ich wirklich, dass Gott nicht auf die Person sieht.“ (Apg 10,34) Nicht mehr Herkunft, Lebenswandel oder Einhaltung äußerer Vorschriften entscheiden über Zugehörigkeit zu Gott – sondern der Glaube an Jesus Christus. Das ist revolutionär. Und es stellt uns heute noch vor die gleiche Herausforderung:
Wo neigen wir dazu, andere auszuschließen – bewusst oder unbewusst? Wo halten wir uns selbst für „nicht gut genug“, um zu Gott zu gehören?
Beides ist Ausdruck eines tiefer liegenden Problems: der Trennung von Gott. Die Bibel nennt das Sünde. Sünde bedeutet nicht nur falsches Verhalten – sie meint insbesondere unseren inneren Zustand, dass wir unser Leben ohne Gott gestalten – unabhängig von ihm. Wir stellen uns selbst in die Mitte – manchmal sichtbar rebellisch, manchmal sogar religiös und moralisch. Aber in beiden Fällen leben wir an Gott vorbei. Diese Trennung wirkt sich auf alle Bereiche aus – auch darauf, wie wir über uns selbst und andere urteilen.
Doch das Evangelium widerspricht unserer Logik: Du bist viel sündiger, als du es je wahrhaben willst – und gleichzeitig viel geliebter, als du je zu hoffen wagtest. Niemand ist „zu unrein“, um in Gottes Familie aufgenommen zu werden. Und niemand ist „rein genug“, um es aus eigener Kraft zu verdienen.
Wie Petrus müssen auch wir erkennen: Die Mauer, die uns trennt, ist nicht zuerst kulturell oder religiös – sie verläuft durch unser Herz. Sie zeigt sich dort, wo wir glauben, wir hätten uns Gottes Gnade verdient – oder wo wir glauben, ihrer nicht wert zu sein.
Aber Christus hat alles erfüllt, was nötig ist. In ihm ist Platz für Juden und Heiden, Starke und Schwache, Zweifler und Eifrige. Er ist der Einzige, der uns wirklich rein macht. Deshalb gilt heute wie damals: Halte niemanden – auch dich selbst nicht – für unrein, den Gott gereinigt hat. Denn Gottes Gnade gilt allen als ein Geschenk, das im Vertrauen auf Jesus angenommen werden will.
Heye Heikens